Theater 2017 1.Halbjahr

“Schinderhannes”: So war’s

“Heiße Vorstellung” im Rathaus!

“Ging’s so mit der Temperatur für Euch?” fragte besorgt der Schauspieler Christian Klischat sein Publikum, nachdem er sich den Schweiß abgetrocknet hatte und in “Zivilkleidung” zurückkam. Trotz der sommerlichen Temperaturen im historischen Rathaus hat er die 20170531_Schinderhannes-001Vorstellung auf der kleinsten Bühne, auf der er je stand, sichtlich genossen und versprach auf Bitten des BfB-Vorstandes, wiederzukommen.

20170531_Schinderhannes-002Das Stück selbst (Buch und Regie: Götz Brandt) spielt in einer Zeit, in der es zwar auch “heiß her” gegangen ist, jedoch waren die Temperaturen am späten Vormittag jenes 21. November 1803 in Mainz, an dem die Szene spielt, vermutlich niedriger. Der
Scharfrichter bereitet sich auf seine Arbeit vor, einen “Termin” mit Johannes Bückler, dem “Schinderhannes”. “Es ist immer gut zu wissen, auf wen man trifft”, lautet seine Devise. So studiert er die20170531_Schinderhannes-003

Prozessakten, bei dem 400 Zeugen gehört wurden. Eindrucksvoll schildern die von ihm dargestellten Figuren von der Lebenssituation armer Bauern und Landarbeiter im Hunsrück, denen Hab und Gut 20170531_Schinderhannes-004von den Französischen Besatzungsmächten genommen wurde, den Spießgesellen und Kumpanen, die sich zu der mörderischen Räuberbande um den “schönen Hannes” formierten,
20170531_Schinderhannes-005aber auch von den Opfern, die beraubt, verletzt, geschändet und sogar ermordet wurden. Das kriminelle Leben des “Schinderhannes” wird aus verschiedenen Blickwinkeln aufgearbeitet. Nahtlos schlüpft Klischat dabei in die Rollen der Berichterstatter und 20170531_Schinderhannes-006Zeugen, die teils von den “Saufgelagen” prahlen, teils scheinheilig und verlogen auftreten und dabei verhöhnen, verspotten und verletzten. Gekonnt setzt Klischat die Situationen verbal und 20170531_Schinderhannes-007non-verbal in Szene und lässt das Publikum an den Stimmungen der jeweiligen Figuren teilhaben, sei es der jüdische Kaufmann, der alte Fährmann oder die Mutter seiner 20170531_Schinderhannes-008Kinder, wobei selbst das spärliche Mobiliar im Zimmer des Scharfrichters unter teils “zornigen Attacken” leidet . . .

Der “Schinderhannes” selbst soll gesagt haben “Das Alter wird die Krankheit nicht sein, an der ich sterbe!”. Am 21.11.1803 gegen 13.00 Uhr sollte er Recht bekommen. Der Scharfrichter macht sich
korrekt gekleidet mit den Worten “Bin bereit …” auf den Weg, um vor den Augen von 40.000 Schaulustigen vor den Toren von Mainz die Guillotine auszulösen . . . Für Hannes und 19 seiner Bandenmitglieder.

Das Publikum dankte für die geniale Vorstellung mit viel Applaus.

Mit diesem Stück in der Veranstaltungsreihe “Rathaustreff” verabschieden sich “Bürger für Bürger e.V.” in die Sommerpause. Die Termine des “Rathauscafé” finden wie geplant auch in den Sommermonaten statt. Termine unter diesem Link.

“Die Rheinpfalz” vom 2.6.2017 schreibt (Download als pdf hier):20170602 Rheinpfalz

Beshno Az Ney . . .: So wars

Die Rheinpfalz, 29.4.2017, Bericht von Lea Ochsner:

20170427 Beshno az ney Rheinpfalz

 

Die Geschichte eines syrischen Mädchens wird von Anja Kleinhans, die auch Autorin des Stückes ist, eindrucksvoll geschildert. Ein fiktives Einzelschicksal, das in der Gegenwart beginnt und in der Zukunft endet.

Sie erzählt von der einst bunten Heimat Syrien und dem verträumten Spiel eines Kindes mit dem “Kaleidoskop der Murmel”, den bunten Farben auf den Märkten, dem Duft nach Jasmin in den Straßen, Liebe, Freude, Tanz. Aber auch von den Grauen des Krieges, den Taliban, Gewalt, Flucht, Tod. Sie beschreibt Schmerz und Tod auf der Flucht, ausgeliefert an Schlepperbanden, die verzweifelten Versuche des Vaters, seine Kinder in Sicherheit nach Europa zu bringen. Dort allerdings angekommen erwartet sie 20170427 Beshno Az Ney-001Fremdenfeindlichkeit, Bürokratie und eine überforderte Gesellschaft. Wir sind im Jahr 2026 angekommen. Düster malt Kleinhans die Situation in der Zukunft aus, den möglichen Zerfall von Moral und Anstand, und rechnet mit den Religionen und der “scheinheiligen Wachstumsgesellschaft”, die das Mädchen über Alkoholabhängigkeit in die Psychiatrie trieb, ab. Trotz – oder gerade wegen? – der widrigen Umstände kämpft das Mädchen, wird als Flüchtling anerkannt, studiert in Deutschland Jura und erhält schließlich auch die Deutsche Staatsbürgerschaft. 20170427 Beshno Az Ney-002Musikalisch untermalt Mehmet Ungan auf Ney (Rohrflöte) und Oud (Kurzhalslaute) mit melancholischen Liedern die Geschichte, die zwischen tragisch, komisch, romantisch und grauenvoll schwankt.

Die Geschichte beschreibt, wie unsere Welt einmal aussehen könnte. Sie ist ein Aufruf, aktiv Einfluss zu nehmen. Eine Fiktion. Über die Realität in der Zukunft entscheiden wir . . . Jetzt. So tanzte auch das Publikum am Ende auf die Klänge der Oud und aß „mutige Feigen“.20170427 Beshno Az Ney-003

 

“De kläne Prinz”. . .: So wars 2017

Aufgrund der hohen Nachfrage bei der Premiere im Januar letzten Jahres gab es nun nochmal eine Vorstellung des “kläne Prinz”. De kläne Prinz-01Annemarie Kabs begrüßte die Zuschauer im erneut fast ausverkauften Rathaus im Namen von “Bürger für Bürger e.V.”.

Wieder flogen Christian Birko-Flemming und Anja Kleinhans vom “Theader Freinsheim” im Tiefflug über die Wüste: Aufgrund der De kläne Prinz-02neuen (erhöhten) Bühne allerdings, die von Walter Bissinger speziell für die Theateraufführungen im Harxheimer Rathaus gebaut wurde, fand der “Flug” nur sehr knapp unter der Decke des kleinen Raumes statt.

Anja Kleinhans beschreibt das Stück von Antoine de Saint-Exupéry, das in der Bühnenfassung des TheaderFreinsheim mit pfälzischem Zungenschlag vorgetragen wird, wie folgt:

“Ein Pilot stürzt in der Sahara ab. Während er versucht, den Motor seines Flugzeugs wieder in Gang zu bringen, macht er die Bekanntschaft des kleinen Prinzen, der von seinem Stern auf die Erde gekommen ist, um Freunde zu finden. Auf dieser Suche lernt der kleine Prinz so allerlei von unseren menschlichen `Macken´ kennen, aber er findet auch Freunde … einen Fuchs z.B., oder den Piloten und letztendlich kehrt er mit einer ganz wichtigen Weisheit auf seinen Planeten und zu seiner Rose dort zurück, von der er jetzt weiß, dass sie einzigartig ist auf der Welt.”

Jeda, der Schneemann . . .: So wars

Der Schneemann blieb cool, die Kinder schmolzen!

Eine kindgerecht gespielte Geschichte, in der Jeda, der Schneemann (gespielt von Anja Kleinhans), unbedingt einmal einen Sommer erleben will und beschließt, nicht zu schmelzen. Die anderen Schneemänner und Schneefrauen, wie zum Beispiel “Gurke” und 20170212 Jeda-001seine Freundin “Aubergine” sind schon geschmolzen, “im Eimer”. Aber Jeda trinkt Eistee und hält sich so kühl. Eistee ist “cool”. Allerdings sind die Vorräte begrenzt. Und aufregen darf er sich auch nicht, denn das führt zu gefährlicher Erhitzung und erhöhtem Eistee-Bedarf. Aber angeln entspannt, und so angelt er eines Tages ein Ei aus dem Wasser.20170212 Jeda-003 Gemeinsam mit den Kindern im Publikum findet Jeda heraus, was in dem Ei ist und die Überraschung ist groß.20170212 Jeda-004

Die poetisch-humorvolle Geschichte von Mark Wetter und Paul Steinmann beschreibt den Kreislauf des Lebens, das Vergehen und das Werden. Die Grenzen zwischen dem Unmöglichen und dem Möglichen verschmelzen.

Das kunstseidene Mädchen . . .: So wars

Beeindruckende Theatervorstellung im Rathaus Harxheim

Mit dem Schauspiel „Das kunstseidene Mädchen“ nach einem Roman von Irmgard Keun startete das Rathaustheader in Harxheim in die neue Saison 2017. Das Rathaustheader fungiert als Außenstelle des TheaderFreinsheim. Das Stück spielt in der Vorkriegszeit der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts.

Ein junges Mädchen namens Doris möchte dem tristen Alltag als Sekretärin eines Rechtsanwalts entfliehen. Sie hat die Sehnsucht und den Herzenswunsch, ein “Glanz“ zu werden, d.h. ihre Träume und Leidenschaften zielen auf ein Leben wie im Film oder auf einer großen Bühne ab. Der Wunsch nach Akzeptanz und Erfolg zwingt sie zu immer neuen Unternehmungen. Sie nutzt nicht zuletzt die Waffen der Frau – hat aber damit nur bedingt Erfolg. Schließlich erhält sie mithilfe eines Tricks eine kleine Rolle und wird in die Schauspielschule aufgenommen. Um auch ihr Äußeres an die neue Situation anzupassen, stiehlt sie als Garderobiere einen Pelzmantel. Aus Angst , erwischt zu werden, flieht sie nach Berlin in eine für sie neue Welt der Großstadt, der Lichtreklamen, Bars und Varietès, Sie versucht dort ihre Träume zu erfüllen. Ständig ist sie auf der Suche nach Anerkennung und Liebe, doch alle Versuche sind zum Scheitern verurteilt. Sie lebt mehr oder weniger mittellos am Rand der Gesellschaft. Hunger und Leid wechseln sich ab mit kleinen Gesten von Hilfsbereitschaft. Diese erfährt sie von Menschen, denen es genau so schlecht geht wie ihr. Sie erzählt von Tilli, bei der sie vorübergehend wohnen kann, von Herrn Benner, der „im Krieg blind geschossen wurde“, von einem Jungen mit dem Pappkarton, der seine Brote mit ihr teilt. Bei ihm konnte sie sich nur mit ein paar Pfennigen und ihrer eigenen Spucke bedanken, dem einzigen, was ihr geblieben ist. Am Ende sinniert sie über das Glück, das ihr leider versagt blieb.

Die Schauspielerin Anja Kleinhans versteht es meisterhaft, das Publikum in der heimeligen Wohnzimmeratmosphäre des antiken Rathäuschens ohne viele Requisiten in ihren Bann zu ziehen. Sie benötigt eigentlich nur einen alten Koffer, gefüllt mit einem Pelzmantel einer „dicken reichen Frau, die nach Bank roch“, einem schwarzen Tagebuch mit weißen Tauben drauf, in dem ihre naiven Gedanken aufgezeichnet sind und einem Glas Cognac, mit dem sie letztlich ihren Kummer ertränkt. Ihre Stimme variiert mal kindlich naiv, mal sehnsuchtsvoll, dann wieder verzweifelt und verbittert. Mehr braucht es nicht für eine starke Inszenierung. Der Zuschauer lebt ihre Gefühle regelrecht mit. Unterstützt wird die Geschichte sehr professionell mit Lichteffekten (Großstadt, Lichtreklame etc.) und einer eindrucksvollen Hintergrundmusik der 30er Jahre, die von Detlef Stellbaum treffend eingespielt wird. (Text: W. Bissinger)